Die Veräußerung der eigenen (Zahn-) Arztpraxis ist ein Großprojekt. Ist ein solventer Interessent für die Übernahme der Praxis gefunden, sind Kaufpreisverhandlungen an der Tagesordnung. Zwischen Käufer (insbesondere Investoren) und Verkäufer bestehen regelmäßig unterschiedliche Einschätzungen hinsichtlich der Bewertung einer Praxis und somit über die Höhe eines angemessenen Kaufpreises.
Diese Unterschiede können insbesondere auf differierende Prognosen hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung des Unternehmens zurückzuführen sein. Zur Überbrückung dieser Differenzen werden häufig neben einem festen Basiskaufpreis auch bedingte – und somit variable – Kaufpreisbestandteile zwischen Käufer und Verkäufer vereinbart und im Kaufvertrag verankert („Earn-Out Vereinbarung“). Durch eine Earn-Out Klausel legen die Parteien fest, einen Teil des Kaufpreises nicht bereits bei Praxisübergabe, sondern erst später zu begleichen, sofern die Praxis bestimmte, zuvor definierte Ziele erreicht. Regelmäßig wird der Praxisveräußerer in der Zwischenphase in der veräußerten Praxis angestellt und kann weiterhin wesentlichem Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung der Praxis nehmen. Damit soll die Earn-Out Regelung auch zur Steigerung der Motivation des Verkäufers an einer zukünftigen positiven Entwicklung des Unternehmens beitragen.
Steuerlich ist die Behandlung des Earn-outs allerdings- trotz eines aktuellen BFH-Urteils – weiterhin nicht eindeutig geregelt und birgt erhebliche Steuerrisiken.
Kurz zum Hintergrund: Grundsätzlich ist der Gewinn aus der Veräußerung eines ganzen Betriebs stichtagsbezogen auf den Zeitpunkt des Besitzübergangs zu ermitteln. Dies gilt unabhängig davon, wann der vereinbarte Kaufpreis fällig ist oder tatsächlich gezahlt wird. Nachträgliche Änderungen in Bezug auf den vereinbarten Kaufpreis (z.B. der Ausfall von Kaufpreisraten) sind rückwirkend bei der Ermittlung des Kaufpreises zu berücksichtigen. Vorteil dieses Rückbezugs auf das Veräußerungsjahr ist, dass nachträgliche Kaufpreiserhöhung ebenso unter die steuerlichen Begünstigungen (Freibetrag, begünstigter Steuersatz) fallen.
Beispiel: Dr. Dent veräußert seine zahnärztliche Einzelpraxis zum 01.07.2023 für einen Kaufpreis von 450.000 € an Dr. Mund. Nach Abzug der Buchwerte und der Veräußerungskosten verbleibt ein Gewinn von 385.000 €. Dr. Dent zahlt seit Jahren den einkommensteuerlichen Spitzensteuersatz (45 %) auf seine Einkünfte.
Lösung: Zwar kommt aufgrund der Höhe des Veräußerungsgewinns der Freibetrag von max. 45.000 € nicht zur Anwendung. Dr. Dent kann aber von dem sog. „halben Steuersatz“ (56 % x Einkommensteuersatz von 45 % = 25 %) profitieren und spart damit rund 20 % x 385.000 € = 77.000 €.
Der Grundsatz der stichtagsbezogenen Veräußerungsgewinnermittlung wird bereits nach der bisherigen Rechtsprechung bei der Vereinbarung gewinn- oder umsatzabhängiger Kaufpreisabreden durchbrochen. Die mangelnde Bestimmbarkeit des Kaufpreises der Höhe nach hat zur Folge, dass der Veräußerer das Veräußerungsentgelt zwingend erst bei Zufluss der einzelnen Teilbeträge in den Zahlungsjahren realisiert; damit scheidet eine Anwendung der steuerlichen Vergünstigungen aus.
Das Finanzamt ging in dem aktuellen Streitfall, einer klassische Earn-out-Klausel, von einer (steuerbegünstigten) nachträglichen Kaufpreisreduzierung eines zuvor vereinbarten Kaufpreises aus. Die Beteiligten hätten sich auf einen Gesamtkaufpreis von rund 5 Mio. € zuzüglich drei weiterer Raten in Höhe von jeweils 0,5 Mio. € kaufvertraglich geeinigt. Dieser Kaufpreis sei dann rückwirkend aufgrund der schlechteren wirtschaftlichen Entwicklung sukzessiv herabgesetzt worden. Eine klassische Earn-out-Klausel solle zugunsten des Käufers die Unwägbarkeiten und Unsicherheiten über die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung des erworbenen Unternehmens berücksichtigen. Eine Beteiligung des Verkäufers an den zukünftigen Gewinnen bzw. Umsätzen solle dagegen nicht erreicht werden.
Bereits das FG Rheinland-Pfalz lehnte diese Rechtsauffassung leider ab; diese Auffassung bestätigte der BFH mit Urteil vom 09.11.2023 - IV R 9/21. Im Fall der Veräußerung eines Betriebs oder Mitunternehmeranteils sind neben dem Festkaufpreis zu leistende gewinn- oder umsatzabhängige Kaufpreisbestandteile erst im Zeitpunkt des Zuflusses als nachträgliche Betriebseinnahmen zu versteuern. Sie erhöhen daher nicht (rückwirkend) den im Jahr der Veräußerung entstandenen Veräußerungsgewinn. Dies gilt auch für Earn-Out-Klauseln, bei denen das Entstehen der sich hieraus ergebenden variablen Kaufpreisbestandteile sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach ungewiss ist.
Der BFH lasst ausdrücklich offen, ob dies auch dann gilt, wenn nur das Entstehen („ob“) einer betragsmäßig festgelegten Zahlung vom Gewinn oder Umsatz abhängig ist. Denn im Streitfall waren die Kaufpreisforderungen auch der Höhe nach ungewiss. Wenngleich die Berechnungsparameter vertraglich fixiert waren, hing die Höhe der zu leistenden variablen Kaufpreisbestandteile von der Höhe der in den betreffenden Jahren erzielten Rohmargen ab.
Aufgrund der Entscheidung des BFH ist nun auch fraglich, ob die Steuersatzbegünstigung (Tarifprivileg) auf den festen Basiskaufpreis Anwendung findet. Denn: Voraussetzung hierfür ist das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der “Zusammenballung” von Einkünften. Bei Gewinneinkünften muss z. B. der gesamte Veräußerungsgewinn grundsätzlich in einem Jahr realisiert sein – genau daran fehlt es aber bei der Erfassung des Earn-outs als nachträglicher Betriebseinnahme in einem späteren Jahr. Unstreitig dürfte sein, dass der Earn-Out selbst, soweit er nach oben dargestellten Grundsätzen erst in einem späteren Veranlagungszeitraum besteuert wird, nicht dem begünstigten Steuersatz unterliegt. Ob in diesen Fällen der begünstigten Steuersatz aber für den gesamten Kaufpreis, d.h. auch für den festen Kaufpreisanteil, der bereits im Jahr des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums entsteht, zu verneinen ist, bleibt offen.
Anders zu beurteilen ist wohl der Fall, dass ein fester Kaufpreis vereinbart wird, der der Summe aus Basiskaufpreis und den maximalen Earn-Out-Zahlungen entspricht und für den Fall des Nichterreichens bestimmter Ziele eine Kürzung des Kaufpreises vorsieht. Diese Kürzung würde als rückwirkendes Ereignis zu einer Korrektur des Veräußerungsgewinns im Jahr der Veräußerung führen. Wenn der gesamte Kaufpreis bei Vertragsabschluss in einer Summe an den Veräußerer fließt, trägt der Erwerber allerdings das Risiko, die Kaufpreisminderung vom Veräußerer nicht erstattet zu erhalten.
Diese Gestaltung könnte man zwar mit der Zahlung des Kaufpreises in Raten kombinieren. Die Auszahlung des Gesamtkaufpreises könnte in einen sofort fälligen Teilbetrag und einen gestundeten Teilbetrag aufgeteilt werden. Käme es zu einer Kaufpreisminderung, würde die entsprechende Rate nicht (oder nicht vollumfänglich) ausbezahlt. Die Zahlung dieses gestundeten Kaufpreises würde in dieser Vertragsgestaltung also ähnlich einer Earn-Out-Klausel erfolgsabhängig gestaltet. Ob diese Gestaltung aber nicht als verdeckte Earn-Out-Regelung angesehen wird, wäre abzuwarten. Ein weiterer (deutlicher) Nachteil dieser Gestaltung wäre, dass der Veräußerer in diesem Falle zunächst den gesamten vereinbarten Kaufpreis versteuern müsste – auch den noch nicht bezahlten. Eventuelle Kaufpreisminderungen würden erst nachträglich die Steuerlast entsprechend (rückwirkend) vermindern.
Dem Praxisveräußerer ist dringend anzuraten, den Dialog mit seinem Steuerberater zu suchen, um alternative Zahlungsmodelle zu erarbeiten und die steuerlichen Risiken im Rahmen zu halten.
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