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Veröffentlicht
01.02.2024
Lesedauer
4 Minuten
 
 

Zeiterfassung in (Zahnarzt-)Praxen

Was 2024 gilt und welche rechtlichen Konsequenzen bestehen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit seinem Urteil im Mai 2019 (EuGH Rs. 55/18 CCOO) Arbeitgeber dazu verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeitenden systematisch zu erfassen. Diese Verpflichtung soll für mehr Arbeitsschutz sorgen und ausufernde Arbeitszeiten verhindern. 

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Warum Zeiterfassung?

Auch wenn das deutsche Arbeitszeitgesetz (ArbZG) bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht an das Urteil des EuGH angepasst wurde, müssen Unternehmen die Arbeitszeiten ihrer Mitarbeitenden bereits heute erfassen. Das gilt auch für Kleinbetriebe. 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nämlich mit Beschluss vom 13. September 2022 (Az. 1 ABR 22/21), festgestellt, dass in Deutschland die gesamte Arbeitszeit der Arbeitnehmenden aufzuzeichnen ist. Das BAG verpflichtet nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) (in unionskonformer Auslegung) Arbeitgeber dazu, ein System zur Arbeitszeiterfassung einzuführen. 

Es sind dabei die Arbeitszeiten aller beschäftigter Personen zu erfassen, auch die der leitenden Angestellten. 

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Wie kann die Arbeitszeit erfasst werden?

Bisher gibt es keine Formvorschriften, wie die Arbeitszeit erfasst werden soll. Arbeitgeber können demnach auch handschriftlich protokollieren. Aufgezeichnet werden muss bislang der Beginn, das Ende und die Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmenden. Damit die Dauer der täglichen Arbeitszeit festgestellt werden kann, ist es auch notwendig, Pausenzeiten zu erfassen. 

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Was erwartet Arbeitgeber in Zukunft?

Der aktuelle Gesetzentwurf sieht in § 16 Abs 2 ArbZG-E Folgendes vor: „Der Arbeitgeber ist verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmer jeweils am Tag der Arbeitsleistung elektronisch aufzuzeichnen“. Damit bleiben Arbeitgeber für die ordnungsgemäße Dokumentation der Zeiterfassung verantwortlich, wobei der Akt der Erfassung selbst an die Mitarbeitenden delegiert werden kann. 

Der Entwurf sieht für Kleinbetriebe mit bis zu zehn Mitarbeitenden überdies eine Wahlfreiheit vor. D.h. sie müssen keine elektronische Zeiterfassung nutzen, sondern können beispielsweise auch Stundenzettel auf Papier führen.  

Außerdem sind je nach Unternehmensgröße unterschiedliche Übergangsfristen vorgesehen. 

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Was sind die rechtlichen Folgen einer Zeiterfassung/ eines Arbeitszeitkontos?

Egal, ob analog oder digital: Eine Zeiterfassung bietet einen Überblick über die geleisteten Stunden und eingelegten Ruhepausen. Verstöße gegen die gesetzlich vorgeschrieben Ruhepausen (§ 4 ArbZG) sollte der Arbeitgeber tunlichst vermeiden und die Mitarbeitenden entsprechend anweisen.  

Ebenso lässt sich feststellen, ob ein Beschäftigter oder eine Beschäftigte zu viel oder zu wenig gemäß seiner vertraglich vereinbarten Arbeitszeit geleistet hat. Sollte sich keine Regelung im Arbeitsvertrag finden, so sind die Überstunden in Geld abzugelten, sofern sie rechtmäßig vom Arbeitgeber angeordnet wurden oder man sich konkret individuell geeinigt hat. Zu beachten ist zudem, ob rechtmäßige Verfallfristen im Arbeitsvertrag existieren. Ist dies der Fall, können Ansprüche oftmals nur drei Monate lang vom Arbeitnehmenden geltend gemacht werden und verfallen danach. Arbeitsvertraglich kann zudem vereinbart werden, dass Überstunden mit Freizeit ausgeglichen werden können und dass eine gewisse Anzahl von Überstunden bereits mit dem Gehalt verrechnet ist. Sollte der Arbeitnehmende kündigen oder gekündigt werden, so sind die Überstunden ebenfalls monetär auszuzahlen.  

Öfter in Streit stehen angesammelte „Minusstunden“ des Arbeitnehmenden. Falls keine arbeitsvertragliche Regelung zu Minusstunden existiert, sind sie im Grunde genommen auch nicht existent. Anders verhält es sich, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmende ein Arbeitszeitkonto vereinbaren. 

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Was ist ein Arbeitszeitkonto?

Ein Arbeitszeitkonto erfasst und speichert die Arbeitsstunden eines Mitarbeitenden und vergleicht diese mit der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Sobald die Sollzeit über- oder unterschritten wird, erscheinen auf dem Arbeitszeitkonto entsprechend Plus- bzw. Minusstunden.  

Die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Ob ein Arbeitskonto mit verpflichtender Zeiterfassung eingerichtet wird, entscheidet demnach der Arbeitgeber. 

Will der Arbeitgeber ein Arbeitskonto einführen, muss eine Ankündigung nebst Zustimmung der Arbeitnehmenden eingeholt werden. Es ergibt sich die Verpflichtung, das genaue Vorgehen hinsichtlich des Arbeitszeitkonto im Arbeitsvertrag zu regeln. Dazu gehören unter anderem: Die Höchstanzahl von Plus- und Minusstunden, Ausgleichvorschriften, und der Zeitraum, in dem Minusstunden nachgearbeitet werden müssen.  

Insofern entsteht erstmal ein gewisser Aufwand für den Arbeitgeber. Die Zeiterfassung wird allerdings in der Konsequenz noch einmal deutlich transparenter und hat Vorteile:  

  • Arbeitnehmende sind während ihrer Beschäftigung und auch bei Ausscheiden aus dem Betrieb darüber im Bilde, wie ihre Überstunden abgegolten werden.  
  • Der Arbeitgeber verpflichtet wiederum Mitarbeitende, angesammelte Minusstunden auch auszugleichen. Allerdings nur unter der Prämisse, dass die Minusstunden nicht aus der Risikosphäre des Arbeitgebers stammen.  
  • Der Arbeitgeber darf die Minusstunden mit Gehaltsansprüchen des Mitarbeitenden verrechnen, wenn Minusstunden nicht im vereinbarten Zeitraum nachgearbeitet werden oder das Arbeitsverhältnis gekündigt wird.   

 

Hinweis: Zusammengefasst ist es bereits heute ein Muss, die Arbeitszeit aller Mitarbeitenden in (Zahn)Arztpraxen zu erfassen. Bislang ist die Form dabei egal. Größere Praxen (über zehn Mitarbeitenden) sollten sich jedoch jetzt schon darauf vorbereiten, die Arbeitszeit in Zukunft elektronisch zu erfassen.  

Dabei bietet sich insbesondere ein transparentes Arbeitszeitkonto an. Um hier Konfliktpotenzial zu vermeiden ist es unbedingt notwendig, eine geeignete arbeitsvertragliche Regelung bzw. Zusatzvereinbarung zu schaffen.  

Verfasst von

Thomas Bischoff Rechtsanwalt 550

Thomas Bischoff
Rechtsanwalt

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