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Gewerbesteuer

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Wann droht eine gewerbliche Infizierung von Zahnarztpraxen?

Einkünfte aus selbständiger Arbeit sind „nur“ einkommensteuerpflichtig. Im Gegensatz dazu unterliegen die Einkünfte von Gewerbetreibenden zusätzlich der Gewerbesteuer. Wenn sich freiberuflich tätige Zahnärzte zusammenschließen, müssen sie unbedingt einige Spielregeln einhalten. Denn in manchen Konstellationen kann auch ihnen eine Gewerbesteuerpflicht drohen. Man spricht dann von einer gewerblichen Infizierung, die die gesamten Einkünfte der Gesellschaft betrifft. Wie schnell sich dieser unerwünschte Effekt einstellen kann, zeigen die folgenden zwei aus dem Leben gegriffenen Beispiele, die beide Gegenstand finanzgerichtlicher Urteile waren.

Beispiel 1 - Partnerschaftsgesellschaft

Der Fall: Sieben approbierte Zahnärzte schließen sich zur gemeinsamen Ausübung der zahnärztlichen Behandlung von Privat- und Kassenpatienten in einer Partnerschaftsgesellschaft zusammen. Die Praxis erzielt Umsatzerlöse von rund 3,5 Mio. € im Jahr. Davon entfallen 900 € (0,028 %) auf einen der sogenannten Seniorpartner, der hauptsächlich für die Organisation, Verwaltung und Leitung der Praxis zuständig ist. Er erbringt nur noch in geringem Umfang eigene zahnärztliche Beratungs- und Behandlungsleistungen am Patienten.

Das Finanzamt unterzieht die Partnerschaftsgesellschaft einer Betriebsprüfung. Dabei kommen die Prüfer zu dem Ergebnis, dass die Einkünfte der Gemeinschaftspraxis nicht mehr als freiberuflich, sondern als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren seien. Denn bei einer freiberuflichen Personen- oder Partnerschaftsgesellschaft müsse jeder Gesellschafter die Merkmale selbständiger Arbeit in eigener Person erfüllen. Der Versuch der Partnerschaftsgesellschaft, sich gegen diese Einstufung zu wehren, ist gescheitert. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos und die Klage der Zahnärzte wurde abgewiesen.

Die Gerichtsentscheidung:  Nach Ansicht des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz muss bei einer Gemeinschaftspraxis jeder der Gesellschafter (Zahnarzt) in eigener Person die Hauptmerkmale des freien Berufs erfüllen (Urteil vom 16.9.2021 – 4 K 1270/19). Das bedeutet, er muss nicht nur über die persönliche Berufsqualifikation verfügen, sondern die freiberufliche Tätigkeit tatsächlich auch entfalten. Dabei muss die Tätigkeit durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt sein. Diese Tätigkeit kann nicht durch eine (auch eine nicht besonders intensive) leitende Tätigkeit ersetzt werden (z. B. Organisation des Sach- und Personalbereichs, Arbeitsplanung, Arbeitsverteilung, Aufsicht über Mitarbeiter und deren Anleitung und die stichprobenweise Überprüfung der Ergebnisse).

Laut Finanzgericht Rheinland-Pfalz schuldet ein Zahnarzt eine höchstpersönliche und individuelle Arbeitsleistung am Patienten und muss deshalb einen wesentlichen Teil der ärztlichen Leistungen selbst erbringen. Eine gewisse Arbeitsteilung bzw. Teamarbeit ist zwar grundsätzlich unschädlich. Der Zahnarzt kann z. B. in „Routinefällen“ die jeweils anstehenden Voruntersuchungen bei den Patienten durchführen, die Behandlungsmethode festlegen und sich die Behandlung „problematischer Fälle“ vorbehalten bzw. die Erbringung der eigentlichen ärztlichen Behandlungsleistung an angestellte Ärzte delegieren. Allerdings muss sich jeder Gesellschafter (Zahnarzt) kraft seiner persönlichen Berufsqualifikation an der Teamarbeit im arzttypischen Heilbereich beteiligen. Wenn er fast nur kaufmännische Leitungs- oder sonstige Managementaufgaben übernimmt, ist er nicht freiberuflich, sondern gewerblich tätig.

Die Konsequenz ist, dass die gesamte Tätigkeit der Gemeinschaftspraxis als gewerblich anzusehen ist. Denn wenn Gesellschafter einer Personengesellschaft teilweise freiberuflich und teilweise gewerblich tätig sind, ist ihre Tätigkeit nach Ansicht der Richter insgesamt als gewerblich zu qualifizieren. Die Tätigkeit des einen gewerblich tätigen Zahnarztes infiziert die Tätigkeit der freiberuflichen Zahnärzte.

Die Partnerschaftsgesellschaft hat gegen die Entscheidung Revision eingelegt, so dass der Bundesfinanzhof das letzte Wort in dieser strittigen Frage haben wird (Aktenzeichen VIII R 4/22).

Beispiel 2 - Gemeinschaftspraxis mit zweitem Standort

Der Fall: Eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis ist an zwei Standorten tätig. Am zweiten Standort praktiziert nur eine Zahnärztin. Sie schließt selbst Behandlungsverträge mit Patienten ab und behandelt diese selbständig. Die Zahnärztin ist zwar mit Gesellschaftsvertrag in die Gesellschaft aufgenommen worden, in der „Kennenlernphase“ aber nicht am Gewinn und am Vermögen der Gemeinschaftspraxis beteiligt.

Auch hier führt das Finanzamt eine Betriebsprüfung durch. Die Prüfer kommen zu dem Ergebnis, dass die Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis mit Aufnahme der Zahnärztin als weitere Gesellschafterin nicht mehr in vollem Umfang eigenverantwortlich und damit nicht freiberuflich tätig waren. Die Einkünfte der Gemeinschaftspraxis seien als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren, weil sie nicht durch die eigene Fachkenntnis, Leitung und Verantwortung der verbleibenden Gesellschafter erzielt worden seien (Stempeltheorie). Die Gemeinschaftspraxis betreibe einen Gewerbebetrieb und sei gewerbesteuerpflichtig. Dagegen klagte die Gemeinschaftspraxis.

Die Gerichtsentscheidung: Das Finanzgericht Münster hat die Einschätzung des Finanzamts bestätigt und die Gewerbesteuerpflicht der Gemeinschaftspraxis bejaht (Urteil vom 26.11.2021 – 1 K 1193/18 G, F, rechtskräftig). Die am zweiten Standort tätige Zahnärztin war zwar zivilrechtlich Gesellschafterin, nicht aber steuerrechtliche Mitunternehmerin der Gemeinschaftspraxis. Mangels eines eigenen Geschäftsanteils war sie nicht an den stillen Reserven und auch nicht am Good-Will der Gesellschaft beteiligt. Sie trug nur ein geringes Maß an Mitunternehmerrisiko (keine Beteiligung an den stillen Reserven, keine Verlustbeteiligung, Berufshaftpflichtversicherung zu Lasten der Gemeinschaftspraxis) und entfaltete eine nur schwach ausgeprägte Mitunternehmerinitiative (nur Widerspruchsrecht, das bei ihrem Stimmanteil kaum ins Gewicht fiel).

Fazit

Entscheidend sind die vertraglichen Vereinbarungen und wie sie gelebt werden. In beiden Fällen hätte sich die gewerbliche Abfärbung auf die gesamten Gesellschaftseinkünfte durch eine steuerfachkundige Beratung im Vorfeld vermeiden lassen.

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Dieser Beitrag wurde erstveröffentlicht in Quintessenz 2023 74(3)

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